Wie wird das Leben zum Objekt des Wissens? Und wie gestaltet sich das Verhältnis von Leben, Wissenschaft und Technik? Donna J. Haraway und Georges Canguilhem verstehen diese Fragen als politische Fragen und Epistemologie als eine politische Praxis. Die besondere Aktualität von Canguilhems Denken leitet sich aus der von ihm gestellten Frage her, wie sich eine Geschichte der Rationalität des Wissens vom Leben schreiben lässt. Niemand hat die politische Intention dieser Frage besser verstanden als Foucault, der in Canguilhems Nachfolge den Menschen als Lebewesen und dessen Geschichte als Teil der Geschichte der Rationalisierung des Lebens problematisierte. Haraway bezieht sich nicht explizit auf Canguilhem, schließt jedoch in ihrer Auseinandersetzung mit der amerikanischen feministischen Wissenschaftskritik, der Actor-Netzwerk-Theorie, der Philosophie des Pragmatismus und Whiteheads relationistischen Philosophie an die von ihm gestellte Frage an. In dem vorliegenden Band diskutieren namhafte PhilosophInnen, EpistemologInnen und MedienwissenschaftlerInnen aus Frankreich, Belgien und Deutschland offenliegende und verborgene Bezüge, Relationen und Differenzen zwischen dem Konzept des „situierten Wissens“ Haraways und der „regionalen Epistemologie“ Canguilhems. Es ist eine Diskussion, die zugleich interdisziplinär und international ist und damit in doppelter Weise versucht, dem Anspruch der Situiertheit und der Regionalität des Wissens gerecht zu werden.
Band 7 der Reihe ‘Cultural Inquiry‘ bei Turia + Kant
282 S., 28 EUR, ISBN 978-3-85132-682-6
Inhalt
- Einleitung: Denken mit Haraway und Canguilhem
- Die Geschichte des Regionsbegriffs in der Epistemologie
- Cyborg Vision: Über eine Konfiguration zwischen Historischer Epistemologie, Wissenschaftsforschung und Medienwissenschaft
- Von Canguilhem zu Haraway
- Kritik des Anthropozentrismus und die Politik des Lebens bei Canguilhem und Haraway
- Kippbilder des Vitalen: Lebenswissen bei Canguilhem und Haraway
- Vom Vitalen zum Sozialen: Überlegungen zu einem politischen Wissen im Anschluss an Canguilhem
- Die Begrenzung der Wissensfelder bei Kant, Canguilhem und Foucault
- Die Abenteuer des Kontextprinzips: Frege und Wittgenstein
- Liebe, Situation, Sprache
- Die ›biomediale Schwelle‹: Medientechnologien und Affekt
- Nichtmenschliche Subjekte: Zur Aktualität A.N. Whiteheads
- Treue zum Problem: Situiertes Wissen als Kosmopolitik