Feministinnen in Ost und West haben im Kontext marxistischer Diskurse schon früh darauf hingewiesen, dass Geschlecht keineswegs einen untergeordneten ‘Nebenwiderspruch‘ zum vermeintlichen Hauptwiderspruch des Klassengegensatzes darstellt. Vielmehr seien soziale Ungleichheitsachsen miteinander verwoben. Zuvor hatten PoC-Feministinnen auf den Zusammenhang von Sexismus und Rassismus aufmerksam gemacht. Im Zuge der ersten und zweiten ‘Welle‘ des Feminismus begannen feministische Künstler_innen und Aktivist_innen, transgressive Weiblichkeitsbilder auf der Folie binärer Geschlechterbilderzu entwerfen: Figuren wie die hartgesottene Detektivin, ermächtigende Monster oder kaltblütige Mörderinnen wurden zu notwendigen Gegenstrategien von Dämonisierung, Pathologisierung, Abwertung und Ausblendung des Weiblichen. Die Gender Studies haben Geschlecht als eine „wissensgenerierende und (wissens-)kritische Kategorie“ (Dietze/Hark 2006) in Bewegung definiert. Interventionen von Feministinnen of Color, postkolo- niale Perspektiven und queere Kritiken wiederum haben die Einheitlichkeit der Kategorie Geschlecht fundamental verunsichert. Sie machen für die Gender Studies die Notwendigkeit deutlich, Allianzen mit weiteren macht- und herrschaftskritischen Erkenntnisperspektiven zu suchen, und fordern ein, die eigenen Ausschlüsse und Hegemonietendenzen zu reflektieren. In diesem Zusammenhang spielen künstlerische Praktiken, kulturelle Artefakte und Ästhetiken sowie Popkultur eine entscheidende Rolle für die Sichtbarmachung marginalisierter Positionen. Dies erfordert eine (Selbst-)Kritik „okzidentaler (sexueller) Exzeptionalismen“ (Dietze), die über Geschlechterverhältnisse funktionieren, um den eigenen Kontext als emanzipiert darzustellen. Ebenso wichtig ist eine kritische Reflexion der Kategorie Gender selbst und ihr intersektionales Weiterdenken. Für die Dezentrierung von Macht und Wissen, auch über den akademischen Elfenbeinturm hinaus, sind Kollaborationen und Solidaritäten, strategische Essentialismen, Allianzen und Dialoge mit aktivistischen Kontexten und anderen Diskursen und Öffentlichkeiten unerlässlich.
Donnerstag, 19. Januar 2017
13:30 Grußworte
Christoph Holzhey, Beate Binder, Christina von Braun
14:00 Panel I: Kompliz_innen/Kollaborationen
Claudia Brunner: Feminismus (un)kompliziert
Sabine Hark: Was ist Kritik? Uber Dissidenz und Partizipation
Jana Husmann: Gender hegemonial – Chancen von Streitkultur
Moderation: Stefanie von Schnurbein
16:00 Pause
16:30 Panel II: Pop/Kultur
Lisa Kuppler: Hard-Boiled Woman Revisited – Jessica Jones im Marvel Cinematic Universe
Julie Miess: All Tomorrow’s Monsters
Marietta Kesting: Goldene Zitronen – Race, Klasse und Gender in Beyonces „Lemonade“
Moderation: Eva Boesenberg
18:30 Pause
18:45 Abendvortrag
Elahe Haschemi Yekani und Beatrice Michaelis:
Partners in Crime. Von queerer Intersektionalität zu ethischem Begehren
Auf Deutsch
Organized by
Elahe Haschemi Yekani, Gabriele Jähnert, Julia B. Kohne, Dorothea Löbbermann, Beatrice Michaelis, Julia Roth und Simon Strick
Eine Veranstaltung des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem ICI Berlin, unterstützt vom Zentrum Jüdische Studien
Veranstaltungsort
19. Januar 2017
ICI Berlin
Christinenstr. 18/19, Haus 8, 10119 Berlin
Veranstaltungsort
20./21. Januar 2017
Humboldt-Universität zu Berlin
Senatssaal
Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Die Konferenz zu Ehren von Gabriele Dietze und Dorothea Dornhof thematisiert ein breites Spektrum an Formen und Praktiken von und Perspektiven auf Gender, in Verbindung mit Hegemonie(selbst)kritik. Mit besonderem Augenmerk auf die wachsenden Ungleichheiten unter gegenwärtigen neoliberalen globalen Bedingungen und im Anschluss an zentrale Aspekte der herausragenden Arbeit der beiden Genderforscherinnen nehmen die Beiträge Genealogien, Konkurrenzen, Transformationen und innere Spannungen von Gender als hegemoniekritische Kategorie in den Fokus.
