Der Film Stau (Thomas Heise, 1992, 85 min) dokumentiert in schonungsloser Direktheit die Realität rechtsextremer männlicher Jugendlicher in Halle-Neustadt. Im anschließenden Gespräch widmet sich Klaus Theweleit dem Thema autoritäre Männlichkeiten. Dabei werden Geschichte und Perspektiven der Männlichkeitsforschung erörtert, die er im deutschsprachigen Raum mit seinem Buch Männerphantasien (1977) mitbegründete. Theweleit untersuchte die Selbstdarstellungen nationalistischer Freikorpssoldaten in den 1920er Jahren mit Fokus auf die Männerkörper des ‘soldatischen Typs’ und die gewaltvollen Beziehungen, in welchen sie zu sich selbst und zu Anderen stehen. Diese ‘faschistischen Körperzustände’ und ihre Bedeutung für gegenwärtige politische Debatten werden in Bezug auf den Film diskutiert.
Klaus Theweleit ist Kulturtheoretiker und Autor, der mit seiner Dissertation und späterem Buch Männerphantasien (1977/78) die Männerforschung und Gewaltforschung entscheidend prägte. Sein psychoanalytisch geschulter Blick auf Körperpolitiken und die in ihnen eingeschriebenen Machtverhältnisse verbindet Literatur-, Film- und Musikgeschichte(n). Weitere Positionen in seinem vielfältigen Werk eröffnen die mehrbändigen Studien Buch der Könige (1988-1994) über Machtverhältnisse in der Kunstproduktion und Der Pocahontas Komplex (1999-2020), welche Mythenforschung im Rahmen der Kolonialgeschichte thematisiert.
Thomas Heise (1955-2024) war ein renommierter deutscher Dokumentarfilmer und Autor, dessen Arbeiten sich mit Geschichte, Erinnerung und gesellschaftlichen Bruchlinien auseinandersetzen. Seine über 20 Filme – darunter Vaterland (2002), Material (2009) und Heimat ist ein Raum aus Zeit (2019) – verbinden persönliche Geschichten mit historischen Entwicklungen. Die Geschichte der DDR und der Nachwendezeit, das Verhältnis von Individuum und Staat sowie die Dynamik von Erinnerung und Vergessen werden beobachtend, wenig wertend und besonders eindringlich erzählt. Seit 2007 lehrte er als Professor für Film an der HfG Karlsruhe und wurde 2013 zum Honorarprofessor der Filmuniversität Babelsberg ernannt.
Claudia Bruns ist Professorin am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie forscht zur Kulturgeschichte des Politischen, zur Geschichte des Männerbunds und (prä)faschistischer Bewegungen sowie zur zentralen Rolle, die der Sexualität in der Moderne zukommt. Die Verschränkungen zwischen kolonialen Rassismen und Antisemitismen in Geschichte, Film und Erinnerungskultur sind wichtige Themen für sie, aber auch eine kritische Genealogie von Europas Grenz- und Raumdiskursen. Ihre vielfältigen Publikationen umfassen u.a. die Monographie Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934) (2008).
Xenia Müller beschäftigt sich als Kulturwissenschaftlerin mit Kritischer Theorie, utopischem Denken und Erlösungsvorstellungen und hegt eine große Faszination für Speculative Fiction als Medium zur Erkundung von alternativen Welten. Gerade bereitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin ein Seminar über Monster, Teufel und Dämon:innen vor, mit besonderem Fokus auf die subversiven Potentiale, die in Repräsentationsfiguren des Anderen stecken. Sie arbeitet außerdem an einem Promotionsprojekt zur Kulturgeschichte der Schlange im Spannungsfeld der Symbolismen von Widerstand und Herrschaft.
Justus Karl Heitzelmann ist Kurator und Produzent kultureller Projekte, denen er sich als Kulturwissenschaftler mit einem besonderen Fokus auf das Medium Film widmet. 2024 kuratierte er die Veranstaltungsreihe ‘Villainous Legacies’ im TRAUMA, in welcher die Kontinuitäten und Brüche in der Rezeption queerer Berliner Filmklassiker im Vordergrund standen. Er arbeitete in der letzten Zeit mit der Boros Collection, dem Schwulen Museum, dem Kunstverein Göttingen, GSL Projects und dem Whole Festival zusammen sowie mit Caique Tizzi für das HAU Berlin, die Julia Stoschek Collection, die Neue Nationalgalerie und den Kunstverein München.
Auf Deutsch
With
Klaus Theweleit
Claudia Bruns
Xenia Müller
Justus Heitzelmann
Organized by
Die Abendveranstaltung ist eine Kooperation des Instituts für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem ICI Berlin
Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ringvorlesung Männlichkeit(en) im Raum des Politischen: Genealogien von Verletzlichkeit und Gewalt statt. Claudia Bruns, Xenia Müller und Justus Heitzelmann versuchen in den 13 Vorträgen dem autoritären Backlash der Gegenwart und seinen Verwobenheiten mit neuen Formen von Re-Maskulinisierung und den körperlichen, institutionellen, ökologischen, ökonomischen, kriegerischen, rassisierten Formen von Gewalt, die sich darin zeitigen, nachzuspüren.
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- Kein Livestream verfügbar.
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Film Still: Stau (Thomas Heise, 1992, 85 min)