Die Vertreibung von mindestens 800 000 Palästinenser*innen im Jahre 1947/1948 (arabisch Nakba, »Katastrophe«, genannt) — etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung im historischen Palästina — wird bis heute nicht als Teil europäischer Geschichte erinnert und betrauert, sondern aus dem europäischen kollektiven Gedächtnis und öffentlichen Diskurs ausgegrenzt. Die Verknüpfung mit der Geschichte des Nationalsozialismus bleibt zumeist nur einseitig: durch die Repräsentation Palästinas und (ab 1948) Israels als sicherer Hafen für überlebende europäische Juden. Das Trauma der Nakba wird als bedrohlich wahrgenommen, weil es den Glauben an die Einzigartigkeit des Genozids an den europäischen Juden sowie an die Exklusivität der Schuld an der Shoa und damit den Wunsch nach Wiedergutmachung und restituierter Unschuld stört.  Dies ermöglicht die Fortsetzung der systematischen Vertreibung von Palästinenser*innen bis auf den heutigen Tag. Der Vortrag setzt sich mit den Spuren auseinander, die die Tabuisierung der Gewalterfahrung in Eltern-Kind-Beziehungen und Lebenswelten von Palästinenser*innen verschiedener Generationen in Deutschland und in der Schweiz hinterlässt. Er beruht auf El-Bulbeisis Buch Tabu, Trauma und Identität. Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz, 1960–2015(2020), das (auto-) ethnographische (insbesondere teilnehmende Beobachtung) mit psychoanalytischen Reflexionen verknüpft, insbesondere zu Fragen der freien Assoziation und den Mechanismen von Übertragung und Gegenübertragung.

Sarah El-Bulbeisi studierte an der Universität Zürich. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Nah- und Mitteloststudien der Ludwig-Maximilians-Universität in München und leitete das DAAD-Projekt »Gewalt, Zwangsmigration und Exil: Trauma in der arabischen Welt und in Deutschland«, einen Hochschuldialog zwischen palästinensischen und libanesischen Universitäten sowie der LMU München. Seit 2019 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orient-Institut Beirut tätig.

auf Deutsch
Organized by

Eine Kooperation des Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse (BiPP), des kulturwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin, der International Psychoanalytic University (IPU) und des ICI Berlin, organisiert von Wilhelm Brüggen (BIPP), Monika Englisch (BIPP) und Andreas Gehrlach (HU Berlin), gefördert von der Friedrich Stiftung Hannover

KV El Bulbeisi

The audience is presumed to consent to a possible recording on the part of the ICI Berlin.
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