19. Karl-Abraham-Vorlesung

Dass eine psychoanalytische Kur weniger verändert als erhofft und erwartet, ist eine Enttäuschung, die sich nach dem Ende der Lehranalyse oder der therapeutischen Analyse beim Analysanden ebenso wie beim Analytiker einstellen kann. Dieses Gefühl berührt eine Kernfrage der therapeutischen Arbeit, nämlich die nach den Möglichkeiten und Grenzen der Veränderbarkeit durch die psychoanalytische Arbeit.

Diese Frage lässt sich in folgende Teilfragen auffächern:

1. Was verstehen wir unter einer seelischen Veränderung? Muss sie fest in der Struktur der Persönlichkeit verankert sein? Oder kann sie dynamisch als punktuell aufblitzende Potentialität einer neuen Erlebnisfähigkeit aufgefasst werden?

2. Kann sich ein Einzelner verändern, oder gibt es nur Veränderungen durch den Anderen, quasi Ver-Anderungen, die den Anderen immer einbeziehen und mitziehen?

3. Gilt das auch für die am analytischen Geschehen Beteiligten? Hängt das Ausmaß der Veränderung des Analysanden also auch vom Ausmaß der Veränderungsbereitschaft des Analytikers ab?

4. Wie müssen die Worte im therapeutischen Gespräch beschaffen sein, wie müssen sie ausgesprochen werden, um den Anderen zu berühren und zu ändern?

5. Welche Ängste hindern Analytiker und Analysand daran, sich in der Therapie zu verändern?

Joachim Küchenhoff lässt sich bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen insbesondere durch Freuds Trauer und Melancholie sowie Bions Auffassung von der analytischen Beziehung als einer bestenfalls fruchtbaren Empfängnis inspirieren. Auch der Bedeutung des Anderen gilt sein besonderes Augenmerk.

 

Joachim Küchenhoff ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker (DPV, SGPsa, IPA) und  Professor für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Liestal. Seine Forschungsschwerpunkte konzentrieren sich auf die interdisziplinäre Forschung in Kulturwissenschaften und Psychoanalyse, die psychoanalytische Theorie sowie die Psychotherapieforschung, das Körpererleben und die Psychosomatik. Letzte Buchpublikationen: J. Küchenhoff, J. Pfeiffer (Hrsg.), Körper.Konstruktionen (Würzburg 2009); J. Küchenhoff, R. Mahrer Klemperer (Hrsg.), Psychotherapie im psychiatrischen Alltag (Stuttgart 2009); E. Angehrn, J. Küchenhoff (Hrsg.), Die Vermessung der Seele (Weilerswist 2009).

auf Deutsch
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Berliner Psychoanalytisches Institut

Das Berliner Psychoanalytische Institut (Karl-Abraham-Institut) vertritt die klassische Psychoanalyse und gehört der International Psychoanalytic Association an. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf dem Austausch mit internationalen Fachgesellschaften und ihren Mitgliedern. Die Karl-Abraham-Vorlesung findet einmal jährlich im Mai zum Geburtstag von Karl Abraham, dem Namensgeber des Instituts, statt. Zu diesem Anlass werden international renommierte Psychoanalytiker und Wissenschaftler eingeladen.