‘Wenn alle Stricke reißen, häng’ ich mich auf’, lautet eine zum Sprichwort avancierte Formulierung bei Nestroy. Doch in dieser Aussage steckt mehr als bissige Ironie. Sie kann auch als Hinweis auf das Verhältnis von Spannung und Konflikt verstanden werden. Was, wenn die Spannung überhand nimmt und ihr nichts mehr standhalten kann? Wenn der Riss dem ‘statischen, aber instabilen Zustand der Spannung’ (ICI Berlin) ein Ende setzt, ist die gefürchtete Katastrophe nicht mehr das, was sie einmal war – oder nie gewesen ist.

Der Vergleich mit dem physikalischen Prinzip von Ladung und Entladung stößt hier an seine Grenzen. Das Verhältnis ist offensichtlich komplexer, paradoxer. Spannung ‘entlädt’ sich nicht einfach in Konflikten, und Konflikte mobilisieren nicht einfach nur Spannungen. Vielmehr scheinen Spannung und Konflikt, im Sinne einer Double-Bind-Beziehung, in Machtverhältnisse verflochten zu sein. Wer sich in der Hoffnung erhängt, dass sein Strick reißen möge, hat vielleicht einen Ausweg aus dem scheinbaren Dilemma gefunden.

‘Spannung’, das Leitprojekt des ICI Berlin, trifft in diesem Workshop auf ‘Konflikt’, dem titelgebenden Begriff des österreichischen Forschungsnetzwerks Kultur & Konflikt. Fellows und Wissenschafter_innen beider Einrichtungen treffen sich zu einem philosophisch-kulturwissenschaftlichen Austausch.

Abendvortrag
Thomas Macho
Happy Doomsday. Spannung und Konflikt im Kalten Krieg

Seit Obamas Verkündung des Traums von einer atomwaffenfreien Welt (in seiner Prager Rede vom 5. April 2009), erst recht seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten, ist die zunehmend unscharf gewordene Silhouette des Atomzeitalters wieder klar vor unsere Augen getreten. Mit dieser Perspektive auf eine – mehr als sechzig Jahre andauernde – Epoche verbindet sich nicht nur die Frage nach einer Historisierung des Kalten Krieges, sondern auch die Frage nach den besonderen Bedingungen der Verschränkung von Konflikt und Spannung, die sich in der Logik der Abschreckung, in einer Dynamik wechselseitiger Drohungen, manifestierten.

Thomas Macho, Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde 1976 mit einer Dissertation über die ‘Dialektik des musikalischen Kunstwerks’ an der Universität Wien promoviert. Er habilitierte sich 1983 in Klagenfurt für das Fach Philosophie mit einer Schrift ‘Von den Metaphern des Todes. Eine Phänomenologie der Grenzerfahrung’. Macho ist Mitbegründer des Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik und war 2006–2008 Dekan der Philosophischen Fakultät III.

Deutsch/Englisch
With

Wilhelm Berger
Luca Di Blasi
Catharine Diehl
Daniela Gronold
Grada Kilomba
Thomas Macho
Martin G. Weiß

Organized by

Jacob Guggenheimer und Luca Di Blasi

Eine Kooperationsveranstaltung des Forschungsnetzwerks Kultur & Konflikt und des ICI Berlin

The event, like all events at the ICI Berlin, is open to the public, free of charge. The audience is presumed to consent to a possible recording on the part of the ICI Berlin. If you would like to attend the event yet might require assistance, please contact Event Management.

WS Spannung und Konflikt