Verliebt sein als philosophischer Zustand. Eros als anthropologischer Code innerhalb und jenseits der Geschlechterspaltung. Phädra, ‘die Leuchtende’ – geboren im Griechenland der Antike und zu Hause im Theater der Welt – verkündet über die Jahrhunderte hinweg ihre tiefgründige Liebeslehre. Das Schicksal der Tochter der Pasiphae, Braut des Helden Theseus, die sich nach dem Willen der Aphrodite in den eigenen Stiefsohn, den wunderschönen Frauenhasser Hippolytos, verliebte, hat Dichter*innen und Denker*innen immer wieder fasziniert. Von Euripides bis Zwetajewa, von Ovid bis Racine, von Seneca bis Yourcenar, Gide, Enquist, Sarah Kane und Miguel de Unamuno.

Phädra ist keine unbescholtene Heroine, keine ethische Heldin, sondern eine verliebte Dark Lady, Selbstmörderin und Mörderin. Eine Lügnerin und Intellektuelle, die stolz und verwundet als weibliche/männliche Stimme auf der Bühne mit Platon, Sokrates und den Sophisten debattiert. Ihr philosophischer Diskurs beleuchtet die Fesseln der Misogynie und den Knebel des Patriarchats, die Abgründe des Begehrens und der Macht, aber auch die Gewalt, die in der Sprache haust.

Aus der Ferne der altgriechischen Tragödie wirkt Phädras Parabel wie der enthüllende Spiegel eines beklemmenden Unbehagens. Ihre schmerzliche Erfahrung der eigenen Verletzlichkeit, die in der Liebeskrankheit zum Stigma wird, kann bei Euripides als provozierendes Manifest gegen den allgegenwertigen Fetisch der Identität gedeutet werden und als Zeugnis enttäuschter Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und Sinn für Gerechtigkeit. Am Ende bleibt das Schaukeln ihres Körpers am Strick – in der Leere zwischen Ehre und Scham, Wissen und Wahn.

auf Deutsch
With

Astrid Deuber-Mankowsky
Marco Formisano
Agnese Grieco

moderiert von Claudia Peppel

Organized by

Agnese Grieco
Ein ICI Event in Kooperation mit Matthes & Seitz

KV Calle del Angel

Image credit: © Claudia Peppel, Calle del Angel, paper collage, 37,8 x 51, 6, 2011 (detail)

Photos © Ziyad Hawwas