»Besteht Gastfreundschaft darin, dem Ankömmling Fragen zu stellen? Oder beginnt die Gastfreundschaft damit, dass man empfängt ohne zu fragen?« Jacques Derridas an Kant anschließende Überlegungen sind brisanter denn je, nicht zuletzt in Zeiten, in denen täglich Tausende von Flüchtenden an der »Festung Europa« abprallen. Wer gastfreundlich ist, öffnet einem Fremden die Tür – unter der Maßgabe, dass der Gast bestimmten Gesetzen oder Sitten nicht zuwider handle. Gleichzeitig bedeutet unbedingte Gastfreundschaft Derrida zufolge aber auch: Nicht zu wissen, wer der Gast ist, nicht, ob er »Gast ist und nicht Mörder« – sich auf das absolut Andere einzulassen. Muss man Gastfreundschaft (hospitalité) und Feindschaft (hostilité) zusammen denken? Derrida schlägt dafür den Terminus hostipitalité vor – Gastfeindschaft.

Hält Literatur Möglichkeiten bereit, Aporien, die sich aus der Begegnung von Eigenem und Fremden ergeben, zu überwinden? Etwa durch die Vorstellung anderer Formen von Gemeinschaft, durch die Dekonstruktion scheinbar klarer Grenzziehungen, durch Subversion der Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem? Können in der Literatur Strategien des Zusammenlebens außerhalb eines juristischen Paradigmas verhandelt werden? Oder besteht das Potential von Literatur gerade darin, diese Aporien nicht auflösen zu wollen, sondern zuzuspitzen?

»Er tut uns nichts, aber er ist uns lästig, das ist genug getan«, heißt es in einem kurzen Text Kafkas, den Max Brod mit Gemeinschaft betitelte. Indem wir vorschlagen, im Blick auf die Literatur dezidiert ästhetische Strategien von Exklusion, vorgetäuschter Legitimation und von selbstentlarvender Scheinargumentation zu untersuchen und zu diskutieren, wollen wir nach alternativen Formen des Umgangs mit Anderen fragen.

Auf Deutsch
With

Hans-Jürgen Lüsebrink
Alexander Honold
Vivian Liska
Anselm Haverkamp
Esther von der Osten
Irena Brezna
Julya Rabinowich
Kathrin Röggla
et al

Organized by

Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien der Freien Universität Berlin, in Kooperation mit dem ICI Berlin und mit Unterstützung der DFG

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